Was Terroristen wollen ist eines: Aufmerksamkeit. Je größer die Aufmerksamkeit nach einem Anschlag, desto erfolgreicher ist dieser aus Sicht der Terroristen. Tatsächlich verfolgen Terroristen mit einem Anschlag eine Reihe von Zielen; das Töten unschuldiger Menschen ist dabei nur ein Mittel zum Zweck.
Bereits bei der Planung eines Anschlags kalkulieren Terroristen die anschließende Berichterstattung mit ein. Aus Sicht der Terroristen bemisst sich der Erfolg eines Anschlags heutzutage vor allem an seiner medialen Verbreitung. Überspitzt formuliert: Für Terroristen ist eine breite Öffentlichkeit wichtiger als die Zahl der Opfer.
Denn dank der Massenmedien können auch kleine Anschläge durch eine geschickte Inszenierung eine große Wirkung entfalten. Die Verbreitung der Bilder eines Terroranschlags durch die Massenmedien ist ein essenzieller Teil des Plans und des terroristischen Kalküls: Die Terroristen wissen, dass es eine allzeit bereite Maschinerie gibt, die ihnen ihr Material bereitwillig abnimmt und verarbeitet.
Und sie wissen diese Maschinerie der Medien zu nutzen und zu manipulieren, indem sie ihre Terroranschläge mediengerecht inszenieren. Terroristen und Massenmedien leben somit in einer Symbiose. Beide profitieren voneinander, da sie die Suche nach größtmöglicher Aufmerksamkeit gemeinsam haben.
Die Medien, allen voran das Fernsehen, stecken bei der Berichterstattung über Terroranschläge in einer Zwickmühle: Einerseits haben sie die Aufgabe, ihre Leser oder Zuschauer zu informieren, und dies möglichst wahrheitsgetreu und objektiv. Auf der anderen Seite spielen sie mit den blutigen Bildern der Anschläge den Terroristen in die Hände.
Die Berichterstattung über Terroranschläge ist damit eine ständige Gratwanderung zwischen der Verpflichtung zur Information und der Gefahr, zu Erfüllungsgehilfen der Terroristen zu werden. Journalisten müssen deswegen immer wieder infrage stellen und diskutieren, ob und inwieweit sie Bilder der Anschläge zeigen, wie sie diese kommentieren und ob sie nicht die von den Terroristen gewünschten Bilder durch eigene Recherchen relativieren können.
Der vollständige Verzicht auf Bilder ist eine Möglichkeit – allerdings keine, die sich beliebig wiederholen ließe. Denn wenn die Bilder in einer Berichterstattung fehlen, wandern die Zuschauer ab und suchen sich die Bilder anderswo.
Besonders die sozialen Medien haben in vielen Bereichen die traditionellen Medien als Informationsquelle abgelöst. Denn dort gibt es Informationen in Echtzeit und ungefiltert. Gerade brutale Bilder können das Internet zeitweilig geradezu fluten. Man kann diesen Bildern kaum mehr entkommen – und dafür sind viele von uns verantwortlich.
Die Medien-Experten der Dschihadisten wissen diese Lust am Bild für sich zu nutzen. Sie sind Meister der Propaganda und haben die Inszenierung von Terroranschlägen, Enthauptungen und Hinrichtungen praktisch zu einer Kunstform erhoben. Ihre Inszenierungen sind eine Pornographie des Terrors.
Dieser Text ist ein gekürzter Auszug aus dem ersten Kapitel meines Buches Terrorismus – wie wir uns schützen können.