Protective Intelligence: Frühwarnsystem für gefährdete Personen

Florian Peil
von Florian Peil
Protective Intelligence: Frühwarnsystem für gefährdete Personen

Der Vorstandsvorsitzende, auf dessen Wohnhaus ein Brandsatz geworfen wird. Kommunalpolitiker, denen Gewalt von Extremisten angedroht wird. Der Journalist, der bedrohliche E-Mails von Extremisten erhält. – Sie alle könnten von Protective Intelligence profitieren.

Protective Intelligence ist ein Frühwarnsystem für Menschen, die einer erhöhten Gefährdung durch Bedrohungsakteure ausgesetzt sind.

Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff?

Was ist Protective Intelligence?

Protective Intelligence (PI) ist ein Konzept aus dem Bereich des Personenschutzes, genauer aus dem Bereich Executive Protection. Der US Secret Service, der für den Schutz der US-amerikanischen Präsidenten verantwortlich ist, hat das Konzept maßgeblich entwickelt.

Im Kern bezeichnet der Begriff einen Prozess der Analyse und Ermittlungen, der Bedrohungen für Menschen, Assets und Reputationen identifiziert und bewertet und auf dieser Basis geeignete Schutzmaßnahmen für gefährdete Menschen oder Assets implementiert. PI ist also die Schnittstelle von analytischer und operativer Arbeit.

Das ist meine Definition. Eine allgemein akzeptierte Definition existiert bis dato nicht. Ebenso fehlt für den Begriff „Protective Intelligence“ eine treffende Übersetzung ins Deutsche. Das deutsche Wort, dass die Bedeutung am ehesten wiederzugeben vermag, heißt „Vorfeldaufklärung“.

Protective Intelligence: Mehr als Vorfeldaufklärung

Doch das Konzept der Vorfeldaufklärung ist einerseits umstritten, andererseits ein wenig in die Jahre gekommen. Protective Intelligence geht zudem über die klassische Vorfeldaufklärung hinaus, indem es auch die digitale Welt in die Aufklärung mit einbezieht.

Als der US Secret Service das Konzept in den 1970er Jahren zu entwickeln begann, umfasste der Begriff zunächst nur den Bereich Executive Protection, also den Schutz hochrangiger Personen. Inzwischen hat sich die Bedeutung des Begriffs jedoch erweitert.

Protective Intelligence ist die Wissensgrundlage für jedes Sicherheitskonzept. Das Konzept kommt überall dort zur Anwendung, wo es um den Schutz von Menschen, Assets und Reputationen geht. Das umfasst so unterschiedliche Bereiche und Disziplinen wie Personenschutz, Reisesicherheit oder Bedrohungsmanagement.

Protective Intelligence als Frühwarnsystem

Der PI-Prozess ist durch drei Merkmale gekennzeichnet. Er ist:

  • proaktiv
  • frühzeitig
  • systematisch

Der PI-Ansatz ist proaktiv, da Bedrohungen durch ein fortlaufendes Monitoring der jeweiligen Bedrohungslandschaft frühzeitig erkannt und entsprechende Schwachstellen systematisch geschlossen werden – bevor Angreifer diese Sicherheitslücken nutzen können. PI ist damit ein Frühwarnsystem.

In der Praxis bedeutet dies einen Paradigmenwechsel: Agieren statt reagieren, proaktive Prävention statt Krisenmanagement. Damit verändert Protective Intelligence die Spielregeln für gefährdete Personen, Organisationen und Unternehmen. Konsequent betrieben, bietet PI die Möglichkeit, „vor die Lage“ zu kommen.

Der Faktor Mensch

Bei PI liegt der Fokus auf den Menschen, sei es als Schutzperson oder als potenzieller Täter. Schutzpersonen in diesem Sinne sind zum Beispiel Mitarbeiter einer Organisation oder eines Unternehmens. Dies kann entweder das Schlüsselpersonal sein, das für den Fortbestand einer Organisation oder eines Unternehmens von entscheidender Bedeutung ist. 

Genauso kann das gesamte Personal einer Organisation als Schutzpersonen definiert werden. Dies kann für Standorte und Mitarbeiter im Ausland ebenso gelten wie für die Standorte im Inland.

Potenzielle Täter können Gewalttäter sein wie Kriminelle, Terroristen oder Amokläufer, aber auch Stalker und Vergewaltiger sowie Spione oder Hacker.

Neue Einsichten durch die Täterperspektive

Was Protective Intelligence auszeichnet, ist die Perspektive. Indem proaktiv die Täterperspektive eingenommen und gezielt nach Schwachstellen bei den zu schützenden Personen oder Assets gesucht wird, lassen sich zum einen frühzeitig und systematisch Sicherheitslücken identifizieren. Zum anderen verschafft diese Perspektive wertvolle Einsichten in das Denken und Handeln potenzieller Täter.

Auf diese Weise lassen sich ihre Motivation, ihre für die Tatdurchführung notwendigen Fähigkeiten und Vorgehensweisen, der Modus Operandi, präzise identifizieren. Das letztgültige Ziel ist es natürlich, potenzielle Täter durch geeignete Maßnahmen auf Abstand zu halten.

Fazit: Protective Intelligence ist damit ein umfassendes und seit Jahrzehnten in der Praxis erprobtes System zur Früherkennung von Bedrohungen.

Florian Peil
Florian Peil
Ich bin Florian Peil. Als Sicherheitsberater und Trainer stärke ich die Abwehrkräfte von Unternehmen und schule Menschen für den souveränen Umgang mit Risiko und Gefahr. Zuvor war ich Mitarbeiter einer Sicherheitsbehörde im Bereich Terrorismusbekämpfung. Als Islamwissenschaftler bin ich Spezialist für die Region Nahost und Nordafrika.
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